Stadionpostkartensammlerbörse! Fussball-Sammler bewegen sich in der Schweiz in einer Nische, aber Stadionpostkarten – so eine Veranstaltung fand nun wirklich zum ersten Mal in der Schweiz statt. Natürlich ging das nur mit Unterstützung aus Deutschland, wo seit über 30 Jahren eine Sammler-Vereinigung existiert.
In der Schweiz beschränkt sich die Sammler-Szene hauptsächlich auf Thomas Tschanz. Umso erstaunlicher, gibt es mit Pascal Claudes knappdaneben-Edition eine Produktion für den heimischen Markt – und das meiste ist ausverkauft. Nicht nur Sammler kaufen Stadionpostkarten. Der Knapp daneben – Werbeslogan scheint Wirkung zu zeigen: Schenken Sie keinen Alkohol – schenken Sie ein Stadionpostkartenset von Knapp daneben!
In Toni’s (und Natalias) Hafetschutter-Beizli wurden die Tische gerückt. Gut 10 Sammler – und über den Tag verteilt rund 20 Gelegenheitskäufer – fanden sich an rund 11 Verkaufsständen ein. Davon waren 9 tatsächlich nur mit Stadionpostkarten bestückt. Zwei weitere Sammlerstände schlichen sich ins Programm: Gregory Germond mit seinem Sportantiquariat und ein Hafetschutter-Heimspiel-Stand.
Auch zwei Sammler-Freunde aus Frankreich waren dabei, diese und der Ort berechtigten zum Titel “4. Europa-Treffen”. Weitere Sammler kamen aus Berlin, Offenbach, Fulda, Stuttgart. Kreuzlingen für einmal ein Stadionpostkarten-Mekka. Es gibt noch andere Fussball-Sammlermärkte, doch das jährliche DSS-Stadionpostkarten-Treffen ist einsames Highlight im Jahreskalender der Stadionpostkartensammler.
Die Postkarten mit Stadionmotiven sind keine Goldgrube. Selbst 40-jährige Originalkarten von Schweizer Stadien sind für 1 Euro das Stück zu erwerben und das meiste wird getauscht. Nebst den Originalkarten gibt es allerlei selbst produzierte Serien, durchaus auch mit Überraschungen, wie etwa einer in Deutschland herausgebrachten Karte des wenig spektakulären Fussballplatzes vom FC Altstätten. Vom DSS gibt es auch eine jährliche Sammlerzeitschrift (“Das Stadion”), welche sich ausschliesslich dem Sammeln von Stadionpostkarten widmet.
Was wäre ein Sammler-Treffen ohne skurriles Wissen. Ein paar Sachen davon möchte ich Euch nicht vorenthalten. Das Hauptpostamt in Manila fiel einem Brand zum Opfer, im Keller lagerte der gesamte Schatz der philippinischen Philatelisten. Dies bescherte Sammlern philippinischer Basketball-Briefmarken eine ungeahnte Wertsteigerung. Besitzern philippinischer Basketball-Briefmarken kann ich einen Kontakt herstellen.
Auf meine Geschichte mit einem in der Ukraine ersteigerten FCK-Trikot wurde mir die Trikotsammler-Szene mit Verbindungen zur polnisch-ukrainischen Altkleider-Mafia aufgezeigt.
Dann war da noch die Sache vom Münchner Schmuddel-Harry und seinem harten Kampf in der Münchner Sammelszene.
Auch spannend die Geschichte der verhinderten Fussballkarriere eines Sammlers. Als C2-Junior verwehrten ihm zwei C1-Verteidiger den Aufstieg im Verein, doch beide hätten später Suizid begangen.
So mischten sich an diesem Samstag Geschichten mit Sammlerglück, Kuriositäten mit Leidenschaft.
Manchmal ist eine Stadionpostkarte die Welt und manchmal ist die Welt eine Stadionpostkarte.
“Stadionpostkarten” zu sammeln ist ein Hobby, dessen Sinn und Zweck in viele Richtungen ausgelegt sein kann. Insofern unterscheidet es sich nur inhaltlich vom Oberbegriff “Ansichtskartensammeln”: Es ging jetzt halt für einmal exklusiv um Sport, im Hafenareal wohl viel um Fussball, war der Initiator doch “Hafetschutter” Daniel Kessler, der diese für die Schweiz, wie man lesen kann, erstmalige Veranstaltung arrangiert hat. Das war schon ein schönes Ereignis und sollte zur Wiederholung animieren und zur Regelmässigkeit werden.
Sportbilder dieser Art können auch “geschichtlich” gedeutet werden, um nur mal einen Aspekt -ein wichtiger! – zu nennen. Geschichte ist dabei nicht ohne Darstellung der gesellschaftlichen Situation in der sich etwas abspielte/abspielt denkbar. Sportstätten, in Art und Weise, können somit unterschiedliche Gesellschaftssysteme repräsentieren, verschiedene Mentalitäten und Bevölkerungsschichten, den Reichtum, die Armut, die Zeit, usw.
Eines ist sicher: Die meisten Sportstätten haben aus – unterschiedlichen Gründen – eine Halbwertzeit. Das zeigen eindrücklich die Überbleibsel aus der Antike (oder bereits Verschwundenes in Zürich!). Mir fällt spontan Segantinis Triptychon ein: “Werden-Sein-Vergehen”. Diesen drei zeitlichen Vorgängen unterliegt in den Jahren-Jahrzehnten-Jahrhunderten so manche Sportanlage. Oft mit Bedauern rückbetrachtet. Davon kann sogar der FCK erzählen….
Stadionpostkarten sind auch deswegen besondere Dokumente, da deren Inhalt ländliche und/oder städtische Örtlichkeiten beschreiben (können), die den meisten Bewohnern bekannt waren – oder bekannt sind, ohne sportlich besonders interessiert zu sein. Sportstätten sind mitten in der Gesellschaft repräsentiert. Wobei es nicht mal auf die Grösse ankommt. Interessant auch, dass viele dieser Örtlichkeiten zu einem geografischen Begriff geworden sind. Für einmal spielt das Merchandising (bei Stadionnamen, ohne dass Sport heute kaum betrieben werden kann!) eine geringere Rolle. Beispiele aus D: Mit “Biebererberg” (Offenbach), “Betzenberg” (Kaiserslautern), “Böllenfalltor” (Darmstadt), um nur einige Städte zu nennen, markieren Stadien Stadtgebiete, die durch Fussball zu gesellschaftlich populären, stadtgeografischen Orten wurden und medial breit ausstrahlen.
Ich meine, die Erzählung über “Stadionpostkarten” findet kein Ende! Es braucht mehr als 90 Minuten – plus Verlängerung und Elfmeterschiessen: Es steckt etwas Universelles, Unverwechselbares, Zeitloses drin. Ein Sammlermedium – nicht nur für Sportenthusiasten!