Der FC Kreuzlingen steigt in die Promotion League auf! Was für eine Schlagzeile. Seit rund 30 Jahren besuche ich die Spiele des FC Kreuzlingen und ich hatte mich fast schon damit abgefunden, dass wir wohl nie in einer landesweiten Liga spielen würden. Zuletzt gab es diese Chance 1934 und 2004, in der Vorkriegszeit verzichtete man aus finanziellen Gründen, 70 Jahre später scheiterte man am FC Baulmes und versank verschuldet im Amateurfussball. Ein Menschenleben liegt zwischen diesen Ereignissen und die Professionalisierung des Fussballs führte den FCK immer weiter weg von der Spitze des Schweizer Fussballs. Ausserdem wurde die (Sponsoren-)Luft für halbprofessionellen Sport in der 23'000-Einwohner Stadt Kreuzlingen immer dünner. Der SC Kreuzlingen spielte Champions League im Wasserball, der HSC Kreuzlingen stürmte mit seinem Männer- und Frauenteam in die höchste Handball-Liga (und zog beide Teams mittlerweile zurück). Zwischenzeitlich erwuchs mit Calcio Kreuzlingen ein ernstzunehmender Stadtkonkurrent in der eigenen Sportart. Wer hätte da noch auf den FC Kreuzlingen gesetzt?
Nur etwas ganz aussergewöhnliches würde den FC Kreuzlingen wieder nach oben führen. Es war kein potenter Geldgeber, wie überhaupt Geld keine grosse Rolle spielte, dieses war nämlich nie vorhanden. Es war einfach ein Trainer und eine Mannschaft die den Erfolg wollten, etwas mehr als alle anderen, verbissen über viele Jahre. Begonnen hatte der Weg mit der Verpflichtung von Kürsat Ortancioglu im Januar 2017 (damit ist er der am längsten am Stück amtierende Trainer der Vereinsgeschichte und könnte Alois Haberthürs 11 Saisons zwischen 1939 und 1954 einholen). Eine Mannschaft die ganz behutsam über 8,5 Jahre geformt wurde. Viele Jahre in der 2. Liga Interregional an der Spitze spielte. Den Aufstieg suchte man aber nie mit der Brechstange, nie wurden grosse Spielernamen verpflichtet. Verlockend war dies ganz bestimmt in Kreuzlingen, wo man das Fussballteam erst ab der 1. Liga halbwegs ernst nimmt und jeweils nur wenig zum Aufstieg fehlte. Gebraucht hat es mit Daniel Geisselhardt auch einen Präsidenten, der diesen Weg begann und Bujar Emini, welcher diesen Weg weiterführte.
In den Finalspielen setzte sich der FC Kreuzlingen mit 1:0 und 3:2 gegen die U21 der Grasshoppers durch. Einem Gegner, welcher seine 1. Liga Gruppe 2 fast nach belieben dominierte und gegen Kreuzlingen ganze 9 Spieler mit einem Profi-Vertrag aufs Feld schickte, darunter ein Spieler der deutschen U17-Nationalmannschaft und ein Spieler der Schweizer U19-Nationalmannschaft.
Während den Aufstiegsspielen musste der FC Kreuzlingen auf seinen Torschützenkönig Reda Laidouci verzichten, welcher eine fantastische Saison spielte. Doch selbst diese Hypothek (und der Ausfall vieler weiterer Spieler) konnte die Grün-Weissen nicht aufhalten. Mit überragenden Mannschaftsleistungen wurde das schwierige Nadelöhr zur Promotion League überwunden. Nebst Meisterschaft gilt es zwei aufeinanderfolgende Aufstiegsrunden zu überstehen, an denen gestandene Vereine, welche mit viel Geld in den Profi-Fussball streben, Saison um Saison scheitern (allein der potente FC Baden scheiterte fast 10 mal). Dabei wäre es mit drei Meistern und drei Absteigern viel fairer zu organisieren.
Jeder einzeln Spieler hätte einen eigenen Blog verdient, es gäbe so viele schöne Geschichten zu erzählen. Etwa über Mido Arifagic, welcher in seinem 201. Pflichtspiel für den FC Kreuzlingen das entscheidende Tor in die Promotion League schoss, in der Nachspielzeit, wie es sich für eine wirklich grosse Geschichte gehört. Das ganze dann noch auf Zuspiel von Lokalmatador Levin Nay, dessen Vater und Grossvater bereits beim FCK spielten, kitschiger kann es nicht mehr werden. Fabian Fellmann, der ehemalige Schweizer U19-Goalie, welcher sich bereits vom leistungsorientierten Fussball abwandte, über Freunde zum FCK fand und in den Aufstiegsspielen über sich hinaus wuchs. Captain Abbas Karaki, welcher mit seinen 233 Pflichtspieleinsätzen kurz davor steht Klub-Ikone Manuel Ferrone (235) zu überholen und ein überragender Leader war. Seit Jahren ein absolut auffallender Spieler, welcher mit Sicherheit von diversen Vereinen geködert wurde und doch immer beim FCK blieb. Sven Bode, früher die Lunge der Liga genannt, welcher immer kämpfte bis zum umfallen und bei den Fans Kultstatus genoss. Yves Seeger, unser Abwehrturm, was für eine Entwicklung bei ihm und vielen anderen. Uchenna Anioke, Andri Zimmermann, Adrian Rama-Bitterfeld ("einen guten Spieler erkennt man in guten Spielen" - recht hat er!), Ensar Ismaili, Sinan Özcelik, Marvin Meresi, Lokalmatador Simon Affentranger, Altin Rraqaki, Tristan Matkovic und auch alle Ersatzspieler, ihr habt spätestens mit diesem Erfolg Legendenstatus beim FCK (Mach mit bei der Abstimmung zum Hafetschutter 24/25). Wie meinte schon GC-Ikone Erich Vogel vor drei Jahren auf unsere Frage nach seiner Leistungseinschätzung des FCK? *Eine sehr starke Mannschaft, die wird oben mitspielen".
Wie aussergewöhnlich dieser Aufstieg ist, möchte ich, wie immer bei mir, mit etwas nerdigem Wissen untermauern.
Grösster Vereinserfolg seit 1934 (Schweizer 1.-Liga-Meister durch ein 3:0 über Etoile Carouge), grösster Thurgauer Fussballerfolg seit 1978 (Aufstieg FC Frauenfeld in NLB), erstmalig in der Vereinsgeschichte spielt man nächste Saison in einer landesweiten Liga. Auch bezüglich Zuschauer kann man bemerkenswertes vermelden, mit 1'559 Zuschauern gegen GC U21 gab es im Hafenareal und beim FC Kreuzlingen die höchste Zuschauerzahl seit 1986 (damals Cup gegen GC vor 3'500 Zuschauern). Wobei ich die Zuschauerzahlen im Cup nicht gleichbedeutend finde, da kommen viele wegen dem Gegner - gegen die U21 wollten sie den FC Kreuzlingen sehen.
Aufstieg und Gruppenmeistertitel ist übrigens noch nicht alles was der FC Kreuzlingen diese Saison geholt hat. Die Mannschaft mit den meisten Punkten in den Aufstiegsspielen holt zudem offiziell den Titel Schweizer Meister 1. Liga Classic. Dank den allesamt gewonnenen Aufstiegsspielen geht auch dieser Titel in die Grenzstadt.
Das es mir selbst nicht vergönnt war, diesen einmaligen Erfolg mitzuerleben, ist wohl eine kleine Ironie des Schicksals. Aber es viel mir wesentlich leichter im Wissen darum, wie viele Kreuzlinger den FCK in diesem Spiel unterstützen würden und es auch taten - ob lautstark in der Bodenseekurve oder einfach mit ihrem Spielbesuch. Ob ihr aus Spanien, Hannover und von wo auch immer angereist seid, eure Geschichten vom Spiel zu hören, war eine grosse Freude! Danke auch für die erhaltene Post von Eintrittskarten, Matchprogrammen etc. und an dieser Stelle auch nochmals der Aufruf mir FCK-Memorabilia jeglicher Form zukommen zu lassen (daniel.kessler@mail.ch), gemeinsam bauen wir ein spannendes FCK-Archiv auf!
Weils so schön war, hier nochmal die Zusammenfassung der Aufstiegsspiele:
28.05.25 Prishtina Bern - FC Kreuzlingen 0:2, 1'632 Zuschauer (26. Anioke, 59. Rama-Bitterfeld, 90. Fellmann wehrt Penalty ab)
31.05.25 FC Kreuzlingen - Prishtina Bern 4:1, 873 Zuschauer (29. Affentranger, 35. Anioke, 43. Rama-Bitterfeld, 59. Bode, 62. 4:1)
04.06.25 GC U21 - FC Kreuzlingen 0:1, 1'200 Zuschauer (31. Rama-Bitterfeld, Kreuzlingen ab 81. zu zehnt)
07.06.25 FC Kreuzlingen - GC U21 3:2, 1'559 Zuschauer (61. Seeger, 74./75. 1:2, 91. Arifagic, 96. Anioke)
Spielbericht mit Fotos auf regese.ch
Einmal Möwe - Immer Möwe! Freuen wir uns auf eine aufregende Saison in der Promotion League - und endlich ein paar Spiele in richtigen Stadien!
Old Boys 99, Boys Bernrain, Pöbel Kreuzlingen Forever.

Abbas Karaki mit dem ersten relevanten Pokal für den FC Kreuzlingen der Nachkriegszeit. Der Pokal von 1934 ist leider verschollen. Vielleicht sollte jeder Kreuzlinger mal auf dem Dachboden nachschauen. Am wahrscheinlichsten dürfte das einschmelzen zu Zeiten des 2. Weltkrieges sein, dabei gingen auch in der Schweiz sehr viele Pokale unwiederbringlich verloren.










Den Aufstieg in die Promotion League (oder besser die Ferien in Gran Canaria) widme ich meinen beiden Töchtern Finja und Malea, welche wegen ihres Fussballbesessenen Papas auf viele Samstage verzichten mussten - und natürlich auch Fabienne, welche ich vor 13 Jahren beim FCK kennenlernte.

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Was ich noch gerne hinzufügen möchte, ist diese absolute Fairness von GC: Sie blieben bis am Schluss und haben uns allen gratuliert. Weiter haben die Spieler von GC dem Sven Bode; der sich im ersten Spiel gegen GC schwer verletzt hat, eine Genesungskarte beim Rückspiel übergeben. Toller Charakter- der Fussball lebt!